Leben mit dem Coronavirus „Ich war kurz sprachlos“

Nadia Köhler

Wie schlimm die Krankheit Covid-19 verläuft, lässt sich nicht vorhersagen – und auch nicht, wie viele weitere Menschen ein positiv getesteter Patient ansteckt. Der eine wird krank, der andere nicht. Manchmal kommt es dadurch sogar innerhalb einer Familie zu ganz verrückten Situationen. So wie bei David (10) und Noemi (14).

David, du bist vor zwei Wochen positiv auf Corona getestet worden, wie geht es dir jetzt?

Gut, ich fühle mich wieder fit. Ich hatte nur einen Hautausschlag und einen Vormittag lang Fieber.

Hast du da sofort gedacht, dass du Covid-19 hast?

Nein. Der Direktor hat uns angerufen, weil es einen Verdachtsfall in meiner Klasse gab, und meine Schwester wollte Firmung feiern. Um unsere Großeltern nicht zu gefährden, sind wir vorsichtshalber zum Test gegangen.

Bist du sehr erschrocken, als dein Test positiv war?

Ich fand es schon krass und war kurz sprachlos. Angst hatte ich aber nicht, weil ich kein Fieber mehr hatte.

Du musstest zehn Tage in Quarantäne, wie war das?

Der erste Tag war der blödeste, da musste ich ganz allein in meinem Zimmer bleiben. Wir wussten noch nicht, ob sich meine Mutter, mein Vater und meine Schwester auch angesteckt hatten. Meine Mutter hat mir mein Essen ins Zimmer gereicht und nur durch die Tür mit mir geredet. Mit meinem Vater und meiner Schwester, die einen Stock über mir in getrennten Zimmer saßen, konnte ich nur nacheinander über Video telefonieren. Das war schon sehr komisch. Einen Tag später war meine Mutter auch positiv getestet. Darauf hatten wir fast ein bisschen gehofft, denn so konnten wenigstens wir beide wieder zusammen sein.

Zehn Tage im Zimmer sitzen, wie hält man das aus?

Ich habe viel gelesen und Radio gehört, aber am Wochenende war mir sehr langweilig. Unter der Woche war ich vormittags gut beschäftigt. Meine ganze fünfte Klasse war ja im Homeschooling, weil fünf Schüler Covid-19 hatten. Und ich musste nicht immer in meinem Zimmer bleiben. Ich konnte auch in den Hobbykeller und dort Fußball spielen oder in den Garten.

Was hast du als Erstes gemacht, als du aus der Quarantäne durftest?

Ich bin zu meinem Papa und wir haben eine halbe Stunde lang geknuddelt. Danach bin ich zu meiner Schwester und habe sie auch fest gedrückt.


Noemi, du hast dich bisher nicht angesteckt, sitzt aber weiterhin in Quarantäne, obwohl David schon wieder gesund ist. Du könntest nämlich immer noch positiv getestet werden. Was für eine verrückte Situation!

Ja, schon. Ich sitze hier kerngesund in meinem Zimmer, kann mich nicht frei bewegen und musste meine Firmung absagen. Das klingt unfair und unlogisch, aber ich könnte das Virus halt immer noch in mir tragen.

Du darfst auch nicht zu deinem Vater, der bisher auch gesund ist, aber theoretisch auch infiziert und damit ansteckend sein könnte.

Stimmt, wir sitzen hier im Dachgeschoss in getrennten Zimmern und messen zweimal am Tag Fieber. Aber wir essen gemeinsam. Das heißt: Wir machen die Türen auf, setzen uns mit unseren Tellern so, dass wir uns sehen können, und unterhalten uns. Zum Glück kann ich jetzt seit ein paar Tagen wenigstens meine Mutter und David wieder ganz normal sehen, weil sie nicht mehr ansteckend sind. Mit meinem Bruder habe ich seitdem sogar noch gar nicht gestritten.

Wie bringst du die Zeit rum?

Ich schaue viele Livestreams von dem Computerspiel „Among us“. Und ich habe noch nie so viel in meinem Leben telefoniert oder gechattet. Als David und meine Mutter noch ansteckend waren, musste ich immer erst alle fragen, ob die Luft rein ist, bevor ich runter in die Küche oder ins Wohnzimmer gegangen bin. Und wegen Sachen, die man sonst so nebenbei bespricht, musste ich meine Mutter immer anrufen. Durchs Treppenhaus rufen war verboten, wegen der Aerosole, die da ausgestoßen werden.

Und wie läuft es mit der Schule?

Meine Freundinnen schicken mir nachmittags alles zu, was sie im Unterricht gemacht haben. Und einige Lehrer melden sich bei mir. Aber es ist mühsam, wenn man sich größtenteils selbst erschließen muss, was im Unterricht passiert ist. Wenn ich wieder in die Schule darf, schreibe ich sofort einen Mathetest, ohne vorher noch eine normale Stunde zu haben. Und wenn es richtig blöd läuft, gibt es in meiner Klasse bald einen Coronafall. Dann muss ich wieder zwei Wochen in Quarantäne!