Axel Ranisch & Anna und Emanuelle „Ich wäre der Hexe hilflos ausgeliefert“

Anne Kraushaar

Vor der Generalprobe von „Hänsel und Gretel“ haben unsere Kinderreporter Timo (10) und Klara (10) dem Regisseur Axel Ranisch und den Sängerinnen Anna (12) und Emanuelle (17) aus dem Kinderchor ein paar Fragen gestellt.

Klara: Der Komponist Engelbert Humperdinck hat die Oper „Hänsel und Gretel“ ja extra für Kinder geschrieben. Haben Sie sich als Kind auch schon für klassische Musik interessiert?

Axel Ranisch: Ich habe die klassische Musik mit etwa sechs Jahren für mich entdeckt und war daraufhin richtig abhängig von ihr. Einen Zugang zur Oper habe ich erst ein paar Jahre später gefunden, als ich etwa zwölf war. Erst gefielen mir die tiefen Stimmen, später auch die hohen. Allerdings gibt es bis heute Stimmen, die ich gar nicht mag. Man denke nur an die Oper „Elektra“ von Richard Strauss. Also, nichts gegen kreischende Frauen, aber die kreischen ja die ganze Zeit! Bei „Hänsel und Gretel“ ist das zum Glück nicht so. Von der Oper war ich schon als kleiner Junge verzaubert.

Timo: Was mögen Sie an dieser Oper so gern?

Axel Ranisch: Die Musik! Ich hatte so eine labbrige Schallplatte davon, die habe ich immer zum Einschlafen gehört und mir dabei vorgestellt, wie die Hexe aussieht: gruselig und schauerlich, aber irgendwie auch aufregend und lustig.

Timo: Bei Ihrer Inszenierung sieht die Hexe aber nicht besonders furchteinflößend aus.

Axel Ranisch: Das stimmt. Ich wollte, dass man ihr nicht gleich ansieht, dass sie böse ist. Sie ist eine Art Businessfrau, die ein riesiges Süßigkeiten-Imperium aufgebaut hat. Alles, was die Menschen noch zu essen haben, stammt von ihr. Das Problem ist nur: Diese Süßigkeiten sind aus Kindern gemacht. Die Hexe ist also doch böse, und ihr Problem, dass sie sich überhaupt nicht in andere Menschen hineinversetzen kann.

Klara: Eine Hexe, die Kinder zu Drops verarbeitet, ein Wald, der abgebrannt ist – das ist alles ganz schön grausam und düster. Gibt es in Ihrer Inszenierung trotzdem auch witzige Stellen?

Axel Ranisch: Ja, die Oper fängt sogar schon witzig an, denn kaum hebt sich der Vorhang, sieht man die Geschwister Hänsel und Gretel – und was tun sie? Streiten! Ich finde, eine gute Geschichte muss immer aus einer traurigen Geschichte bestehen, und dann muss gelacht werden können. Liegt vielleicht auch darran, dass ich selbst irgendwie Kind geblieben bin. Ich mag es immer, wenn es lustig ist.

Klara: Gibt es eine Figur, die Sie in der Oper besonders gerne mögen?

Axel Ranisch: Ich mag jede einzelne Figur gerne, auch die, die kleinere Rollen haben. Da ist zum Beispiel die Mutter. Einmal singt sie eine so traurige Arie darüber, dass sie so müde ist, dass sie sterben möchte. Also, wer da nicht mit ihr mitfühlt, ist doof. Wir haben aber auch aus dem Taumännchen eine sehr coole Figur gemacht – für mich der eigentliche Held in dem Stück. Es kommt in der kaputten Welt klar, weil es weiß, wie man die Natur beobachten muss.

Timo: Was wollen Sie den Kindern mit Ihrer Inszenierung sagen? Axel Ranisch: Wie toll der Wald ist und die Natur, die sich erneuert, auch wenn wir Menschen so schlecht mit ihr umgehen. Und dass Zusammenhalt wichtig ist. Schließlich sind wir alle miteinander verbunden, so wie die Pilze, die das Taumännchen findet und deren Wurzeln im Waldboden dicht miteinander verflochten sind.

Klara: Noch mal zur Hexe: Gibt es bestimmte Süßigkeiten, mit denen sie Sie ins Hexenhäuschen locken könnte?

Axel Ranisch: Oh, ich wäre ihr hilflos ausgeliefert, wenn sie mir mit Crème Brûlée oder mit Jelly Beans käme. Ich mag aber auch Gummitiere sehr gerne, besonders die orangenen und die gelben. Ich befürchte, die Hexe hätte bei mir einige Angriffspunkte. (Lacht.)

Timo: Wie ist es für euch, im Kinderchor der Oper mitzuwirken?

Anna: Ich singe und tanze so gerne und empfinde es immer als etwas ganz Besonderes, dass ich das den Leuten zeigen kann.

Emanuelle: Wegen Corona musste der Kinderchor ja aufgeteilt werden: Ein Teil ist auf der Bühne, der andere singt von der Probebühne aus und wird live übertragen. Ich bin bei Letzterem dabei. Weil ich das Publikum gar nicht sehe, bin ich dieses Mal etwas weniger aufgeregt als sonst.

Klara: Ist es zwischen den Auftritten hinter der Bühne manchmal stressig?

Anna: In diesem Stück nicht – da bleibt zwischen den Auftritten sogar Zeit für die Hausaufgaben.

Emanuelle: Hausaufgaben ... ein schwieriges Thema!

Timo: Weil ihr so oft proben müsst?

Emanuelle: Wir haben die Woche vor der Generalprobe viermal für je vier Stunden geprobt. Da kommen die Hausaufgaben dann schon manchmal zu kurz.

Klara: Geht es hinter der Bühne auch mal lustig zu?

Anna: Auf jeden Fall. Wir albern ganz schön viel herum und lachen und fühlen uns wie eine große Familie.


Axel Ranisch
„Hänsel und Gretel“ ist bereits die zweite Oper, die Axel Ranisch an der Staatsoper Stuttgart auf die Bühne bringt. Schon mit Sergej Prokofjews „Die Liebe zu drei Orangen“ feierte er dort einen großen Erfolg. Der gebürtige Berliner führt allerdings nicht nur in der Oper Regie, sondern auch im Theater und Fernsehen. Auch für Kinder hat er schon Filme gedreht, etwa für die Serie „Löwenzahn“.

Über das Stück
Die Märchenoper „Hänsel und Gretel“ wurde von dem Komponisten Engelbert Humperdinck (1854–1921) komponiert und im Jahr 1893 zum ersten Mal in Weimar aufgeführt. Als großer Verehrer des Komponisten Richard Wagner schuf Humperdinck eine klangprächtige Orchestermusik, in die er auch bekannte Volkslieder wie „Suse, liebe Suse“ oder „Ein Männlein steht im Walde“ einbaute. Die Oper wurde sofort ein großer Erfolg und zählt bis heute zu den meistgespielten Musiktheaterstücken.
Der Regisseur Axel Ranisch hat die Geschichte um das Geschwisterpaar, das sich im Wald verirrt und dort auf die böse Hexe trifft, in eine düstere, moderne Zeit gepackt. Der Wald ist abgebrannt, die verkohlten Baumstämme glitzern in der Dunkelheit, und zu essen findet sich kaum mehr etwas. Nur die Hexe bringt etwas Farbe ins Spiel, wenn sie ihre bunten Drops verteilt. Doch die sind, wie im Original die Lebkuchenmännchen, aus Kindern gemacht ...

Info
Die nächsten Familienvorstellungen von „Hänsel und Gretel“ sind am 26. Februar und 9. März. Du findest die Staatsoper Stuttgart am Oberen Schlossgarten 6 in Stuttgart-Mitte.
Weitere Infos gibt es im Internet unter www.staatsoper-stuttgart.de