Paul Maar „Als Kind durfte ich nicht lesen“

Tanja Volz

Er kann schreiben, malen und singen! Der Autor Paul Maar ist ein Multitalent. Das hat er bei einer Lesung im Deutschen Literaturarchiv in Marbach gezeigt – Musiker mit Flöte, Keyboard und Gitarre haben ihn begleitet, und unsere Kinderreporter Lina (9), Hella (10) und Marlon (9) waren begeistert!

Marlon: Warum wurde für heute das Buch „Schiefe Märchen und schräge Geschichten“ zum Vorlesen ausgewählt?

Paul Maar: Die Veranstalter wollten das gerne. Da dachte ich mir, warum denn nicht – daraus habe ich ja schon lange nicht mehr gelesen.

Marlon: Warum wurde dies von Musik begleitet?

Paul Maar: Es macht mir so viel mehr Spaß, wenn ich nicht alleine auf der Bühne sitze. Es ist ansprechender, wenn nicht eine Stunde lang durchgehend geredet wird, sondern dazwischen Musik gespielt wird. Und auch das Publikum findet das unterhaltsamer. Die Musiker werden mit einbezogen und sprechen auch die Texte.

Lina: Wollten Sie schon immer Autor werden?

Paul Maar: Nein. Eigentlich wollte ich Maler werden. Daher habe ich auch an der Kunstakademie in Stuttgart studiert. Zu dieser Zeit habe ich angefangen zu schreiben und dabei gemerkt, dass mir das Schreiben noch mehr Spaß macht als das Malen.

Lina: Und heute? Malen oder schreiben Sie lieber?

Paul Maar: Das kann ich so genau gar nicht sagen. Manchmal male ich lieber, manchmal schreibe ich lieber. Denn ich male nicht nur für meine Bücher, sondern auch für mich selbst. Wenn ich Lust habe, dann zeichne oder male ich einfach. Und wenn ich ein neues Buch geschrieben habe, fragen die Leute vom Verlag meist nach, ob ich auch malen möchte, was ich dann natürlich sehr gerne mache.

Hella: Wer war als Kind Ihr Vorbild?

Paul Maar: Ich hatte keines. Ich durfte als Kind auch nicht lesen. Mein Vater, ein Handwerker, war sehr streng. Er hat mir das Lesen verboten. Wenn er mich mit einem Buch fand, wurde er wütend und sagte, ich würde meine Zeit nur vertrödeln, anstatt etwas Sinnvolles zu machen. Er schickte mich dann etwa in den Hof, um zu kehren.

Hella: Hatten Sie auch als Kind schon so verrückte Ideen?

Paul Maar: Nein! Als Kind war ich mehr als brav, aufgrund meines strengen Vaters. Hätte ich Blödsinn gemacht, wäre es mir wirklich schlimm ergangen.

Marlon: Wie kamen Sie denn dann auf die Idee vom Sams?

Paul Maar: Die Hauptidee war eigentlich gar nicht das Sams, sondern Herr Taschenbier. So einen Herrn Taschenbier kannte ich, der hieß allerdings anders. Doch er war genau wie dieser: schüchtern, zurückhaltend, ernst und ängstlich. Als Kind dachte ich immer, ach wenn ich doch diesem Mann ein bisschen mehr Freude im Leben schenken könnte! Daher habe ich als Erwachsener diesen einsamen Mann zum Helden meiner Geschichte gemacht und ihm ein Wesen an die Seite gestellt, das genau das Gegenteil von ihm war: ein freches, mutiges und lustiges kleines Wesen, das ständig quasselt und reimt. Es hatte zunächst keinen Namen, erst später wurde es zum Sams.

Lina: Warum heißt Herr Taschenbier so?

Paul Maar: Ach, irgendwie ist das ein Zusammenspiel aus verschiedenen Namen, die mir damals einfielen, das hat keinen besonderen Grund.

Lina: Schreiben Sie lieber am Computer oder per Hand?

Paul Maar: Die ersten acht bis zehn Seiten schreibe ich mit der Hand, damit ich in die Geschichte reinkomme, streiche viel durch, beginne wieder neu. Und wenn ich denke, ich bin in der Geschichte drin, tippe ich ab, was ich schon geschrieben habe. Dann merke ich, da sind unschöne Wiederholungen drin – beispielsweise schreibe ich, er „ging über die Straße und ging in die Bäckerei“, dann klingt das nicht gut, zweimal das Wort „ging“ in einem Satz. Dann streiche ich das durch und ersetze es, etwa „er überquerte die Straße“ oder „er betrat die Bäckerei“.

Hella: Wie viele Ihrer Ideen sind auch im Film „Das Sams“ zu finden?

Paul Maar: Alle! Ich habe selbst das Drehbuch geschrieben, also was im Film zu sehen ist und was gesprochen wird. Somit ist alles von mir. Ich bin besonders mit dem ersten „Sams“-Film sehr zufrieden.

Hella: Was lässt sich nicht verfilmen?

Paul Maar: Ich kann in den Büchern beschreiben, was die Menschen denken. Im Film kann man nur Handlungen zeigen. In den Büchern gibt es mehr zu erzählen, als ich es im Film kann.

Lina: Welches Ihrer Bücher mögen Sie am liebsten?

Paul Maar: Schwierig! Bei den Kinderbüchern mag ich „Lippels Traum“ am meisten. Ich habe aber auch Bücher für Erwachsene geschrieben. Da mag ich am liebsten „Wie alles kam“.

Marlon: Werden Sie noch weitere Bücher schreiben?

Paul Maar: Wenn ich nicht gerade vorlese, bin ich dabei! Das neue Buch heißt „Die Tochter der Zauberin“. Die Zauberin Frau Schmidt zaubert gerne böse Dinge, etwa lange Schlangen vor der Supermarktkasse, Baustellen auf der Autobahn oder Radiergummis, die immer ein Loch ins Matheheft reißen. Sie hat eine sehr liebe, herzensgute Tochter, die aber gar nicht zaubern möchte. Das ärgert die Mutter! Und daraus wird natürlich eine Geschichte!


Paul Maar arbeitete nach dem Kunststudium zehn Jahre lang als Kunstlehrer, bevor er vom Schreiben leben konnte. „Lippels Traum“ ist zwar sein international erfolgreichstes Buch, doch hier kennt man ihn vor allem als Schöpfer des rotzfrechen Sams mit der Rüsselnase, den Borstenhaaren und den blauen Wunschpunkten. Der erste Band „Eine Woche voller Samstage“ ist 1973 erschienen, das Sams wird also 50 Jahre alt! Und Paul Maar hat vergangenen Dezember sein 85. Geburtstag gefeiert. Der Autor hat mehr als 60 Kinderbücher geschrieben und auch einige Werke für Erwachsene. Zudem hat er viele erfolgreiche Theaterstücke veröffentlicht. Er hat sogar den Text für eine Kinderoper geschrieben, „Die vergessene Tür“! Zudem wurde das Sams verfilmt, die Drehbücher dazu stammen auch von Paul Maar.