Sabine Ludwig "Lustige Bücher sind Schwerstarbeit"

Maresa Stölting

„Die fabelhafte Miss Braitwhistle“ und „Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft“ – die lustigen Bücher von Sabine Ludwig sind bekannt. Die Autorin hat Amelie (11), Elly (11) und Hannah (10) verraten, warum ihre Bücher oft in der Schule spielen.

Elly: Warum sind Sie Autorin geworden?
Sabine Ludwig: Ich wollte das eigentlich nie werden, weil ich nicht gerne schreibe. Als ich in eurem Alter war, habe ich nie freiwillig irgendeine Zeile geschrieben, wenn sie nicht für die Schule war. Ich wollte Lehrerin werden, und das bin ich auch. Ich habe studiert, mein Examen gemacht, war fertig und dann hieß es: Wir brauchen keine Lehrer. Danach habe ich alles Mögliche gemacht. Irgendwann bin ich beim Radio gelandet, und dort fragte mich jemand vor mehr als 30 Jahren: „Frau Ludwig, könnten Sie sich vorstellen, Kurzgeschichten für Kinder zu schreiben?“ So fing alles an.

Hannah: In Ihren Büchern geht es häufig um Schulen – warum ist das so?
Sabine Ludwig:
Ich gebe zu, ich schreibe gerne über Schulen, denn ich bin für Lesungen ganz oft in Schulen. Das ist nicht immer lustig, das kann ich euch sagen. Es sind nämlich nicht nur nette Lehrer dort, sondern manchmal auch richtig, richtig blöde. Manche fangen zum Beispiel während einer Lesung an, Hefte zu korrigieren oder zu lesen. Reizend, oder? Inzwischen sage ich, dass mich das stört. Und dann sind sie beleidigt. Manche antworten: „Ich kann beides gleichzeitig: lesen und zuhören.“ Dann frage ich: „Ach, dürfen Ihre Schüler das auch?“

Amelie: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, „Die fabelhafte Miss Braitwhistle“ zu schreiben?
Sabine Ludwig:
Ich habe in einer Schule vorgelesen, dort sollte am nächsten Tag der Schulinspektor kommen. So fängt das Buch ja auch an. In dieser Schule waren alle ganz aufgelöst. Die haben geputzt und Schilder aufgehängt: Pfeile, die zum Lehrerzimmer oder zu den Toiletten zeigten. Und ein Junge ging durch den Gang mit einem Butterbrot in der Hand. Auf einmal brüllte der Hausmeister: „Du kannst hier doch nicht essen! Nachher fällt ein Krümel runter und der Schulinspektor rutscht darauf aus! Was haben wir dann für einen Ärger!“ Aus diesem kleinen Erlebnis sind am Ende vier Bände geworden, und seit einigen Tagen sitze ich am fünften. Da wird es um eine Klassenfahrt gehen.

Hannah: Wie schaffen Sie es, jedes Ihrer Bücher so lustig zu schreiben?
Sabine Ludwig:
Ich feile ganz viel an dem Text herum. Manchmal ändere ich nur ein kleines Wort oder lasse etwas weg. Ehrlich gesagt, bin ich am Ende immer überrascht, dass es sich so leicht liest. Traurige Bücher zu schreiben ist übrigens total einfach. Lustige Bücher sind Schwerstarbeit.

Amelie: Wieso sind Ihre Bücher mit so viel Fantasie geschrieben?
Sabine Ludwig:
Weil ich so viel Fantasie habe! Ich habe mir immer gerne Geschichten ausgedacht, nur habe ich sie nicht gerne aufgeschrieben. Ich denke mir eigentlich ständig neue Geschichten aus. Wenn ich unterwegs bin, denke ich über die Menschen nach, denen ich begegne. Ich überlege: Was könnten das für Leute sein? Wie leben die wohl?

Elly: Schreiben Sie Ihre Bücher für jemanden bestimmtes?
Sabine Ludwig:
Nein, ich setze mich nicht hin und sage: Jetzt schreibe ich ein Buch für Mädchen ab acht. Dann muss man gucken, was Mädchen ab acht interessiert. Aber das weiß ich ja eigentlich gar nicht. Ich bin schon ziemlich alt, und meine Tochter ist 25. Aber auch als sie in dem Alter war, habe ich sie nicht gefragt, was ihr gefällt. Ich glaube, ich schreibe Bücher, die dem Kind in mir gefallen.

Amelie: Welches von Ihren Büchern mögen Sie am liebsten?
Sabine Ludwig:
 Frage eine Mutter mit drei, vier Kindern, welches sie am liebsten mag. Das kann sie nicht beantworten. Mit den Büchern ist es genauso. Die können einen so nerven, dass man sie am liebsten gegen die Wand klatschen möchte. Und man liebt sie – egal, ob sie super erfolgreich sind oder komplette Versager. Ich habe Bücher geschrieben, die sehr erfolgreich sind. Ich habe aber auch Bücher geschrieben, die aus irgendeinem Grund keiner lesen wollte. Die finde ich aber genauso gut. So ist das mit den Kindern auch. Keine Mutter wird sagen „Ich habe dich weniger lieb, weil du sitzen geblieben bist.“ Das hoffe ich zumindest.

Hannah: Haben Sie an der Verfilmung von „Hilfe, ich hab meine Lehrerin geschrumpft“ mitgearbeitet?
Sabine Ludwig:
 In dem Film bin ich sogar zu sehen. Über dem Schreibtisch von Rektorin Schmitt-Gössenwein hängt ein großes Bild von der verstorbenen Direktorin Hulda Stechbarth. Im ersten Film bin ich das. Ich erkenne mich da selbst nicht wieder. Dabei habe ich nur eine Perücke bekommen und eine Brille aufgesetzt. In der Fortsetzung „Hilfe, ich hab meine Eltern geschrumpft“ spielt Hulda Stechbarth eine große Rolle. Aber das bin leider nicht ich. Dabei hatte ich natürlich gehofft, ich könnte noch mal zu Filmstar-Ehren kommen ... Nein, im Ernst, die Schauspielerin Andrea Sawatzki hat das ganz toll gemacht. Beim zweiten Film habe ich am Drehbuch mitgeschrieben. Das heißt, da stecken Ideen von mir drin, aber es ist nicht meine Geschichte. Die hat sich ein Drehbuchautor ausgedacht.

Steckbrief: Zu ihrer Schulzeit war Sabine Ludwig nicht so gut in Deutsch. Bei einer Lehrerin sammelte sie vor allem 4er und 5er. Vor dem Abitur – mit einer neuen Lehrerin – lief es dann viel besser. Die Berlinerin wurde selbst Deutschlehrerin, arbeitete aber nur kurz in diesem Beruf. Und zwar an der Schule, die sie selbst besucht hatte, was ihr gar nicht gefiel. Heute schreibt die 63-Jährige lieber oder übersetzt Bücher vom Englischen ins Deutsche.