Raphael: Wie bist du darauf gekommen, Fußball zu spielen?

Heute startet die deutsche Nationalmannschaft in die Fußball- Europameisterschaft in England. Um 21 Uhr geht es gegen den Vize- Europameister Dänemark. Für Sophia Kleinherne ist es das erste große Turnier. Raphael (10), Marie (13) und Martha (13) haben sie gefragt, wie sie die Chancen für Deutschland einschätzt.
Raphael: Wie bist du darauf gekommen, Fußball zu spielen?
Sophia Kleinherne: Ich hab zwei größere Brüder, die Fußball im Verein gespielt haben. Auch im Garten haben wir viel gekickt. Aber irgendwann wollte ich mehr. Ich wollte diesen Wettkampf. Dann haben meine Brüder mich mal mit in den Verein genommen. Da konnten meine Eltern gar nicht anders, als mich auch dort anzumelden.
Marie: Du hast also auch mit Jungs Fußball gespielt?
Sophia Kleinherne: Ich habe am Anfang sehr lange bei den Jungs gespielt. Das hat mich in gewisser Weise auch geprägt, weil ich ganz anders gelernt habe, dagegenzuhalten. Weil Jungs ein höheres Tempo haben, mit mehr Körpereinsatz spielen und wahrscheinlich auch clevereren Fußball spielen. In den Jahren habe ich verdammt viel gelernt, auch mich zu wehren: Sei es neben dem Platz vor blöden Sprüchen oder auf dem Platz. Ich war froh, dass noch ein zweites Mädchen mit mir bei den Jungs gespielt hat. Das hat das Ganze leichter gemacht.
Martha: Marie und ich spielen auch zusammen bei den Jungs.
Marie: Hast du Vorurteile im Fußball erlebt?
Sophia Kleinherne: Ich finde, dass das leider immer noch ein zu großes Thema ist. Man sollte den Frauenfußball nicht mit dem Männerfußball vergleichen. Und manche meinen immer noch, dass Frauen nicht das gleiche Recht hätten, Fußball zu spielen. Natürlich müssen wir uns Sprüche anhören. Aber wir müssen lernen, darüber hinwegzusehen. Wir werden nicht damit aufhören und uns nicht weniger für unsere Rechte einsetzen. Wie ist das denn bei euch?
Martha: Ich hab schon erlebt, dass die anderen Mannschaften sich streiten, wer auf der Position gegen mich spielen muss. Sie wollen nicht, dass sie gegen ein Mädchen schlecht aussehen oder einen Zweikampf verlieren.
Sophia Kleinherne: Das spricht aber für euch!
Marie: Manche Jungs sagen zum Beispiel „Bei den Mädchen kann ich doch nicht richtig in den Zweikampf gehen“.
Martha: Deswegen meinte unser Jugendleiter zu den Jungs, dass sie auch bei uns Mädchen richtig rangehen und uns nicht anders behandeln sollen. Das fand ich gut, wir wollen ja was lernen.
Martha: Was muss passieren, damit der Frauenfußball mehr Aufmerksamkeit bekommt?
Sophia Kleinherne: Das Wichtigste ist, dass wir im Trainingsbetrieb und im Spielbetrieb die gleichen Bedingungen wie die Männer bekommen. Außerdem wünschen wir uns bessere Anstoßzeiten, damit wir viel mehr gesehen werden. Jeder guckt den Männern gerne zu. Aber es KANN ihnen auch jeder zuschauen. Für viele ist es einfach nicht möglich unsere Spiele zu sehen. Die sind zu der Zeit in der Schule, in der Uni oder am Arbeiten. Es haben auch noch sehr viele Menschen ein veraltetes Bild des Frauenfußballs. Man muss die Entwicklung sehen, die wir in den vergangenen Jahren hingelegt haben.
Raphael: Du spielst bei Eintracht Frankfurt. Wie habt ihr den Europa-League-Sieg der Frankfurter Männer-Mannschaft erlebt?
Sophia Kleinherne: Wir wurden sogar zum Finale in Sevilla eingeladen. Das war echt überragend. Man hat uns als Einheit angesehen: als Eintracht Frankfurt. Ich würde nicht sagen, dass wir mit den Männern gleichgesetzt waren. Aber wir hatten zu diesem Zeitpunkt auch etwas erreicht: Wir haben uns für die Champions-League qualifiziert! Und dass die Männer sich durch den Europa-League-Titel auch für die Champions-League qualifizieren konnten, war ein absolutes Highlight. Sie waren enorm stolz auf uns und wir stolz auf sie.
Raphael: Wie aufgeregt bist du vor einem Spiel?
Sophia Kleinherne: Vor einem Ligaspiel wache ich schon angespannt auf. Natürlich werden solche Ligaspiele irgendwann zur Routine. Trotzdem genieße ich es immer noch in der Liga auf dem Feld zu stehen. Aber jetzt kommen meine ersten EM-Spiele. Deshalb werde ich noch angespannter sein. Auch weil fast jedes Spiel ein K.-o.-Spiel ist. Es zählt also einfach jedes Spiel.
Martha: Wie hast du dich vor deinem ersten Spiel bei der Nationalmannschaft gefühlt?
Sophia Kleinherne: Das war schon sehr besonders. Wir haben gegen England im Londoner Wembley-Stadion gespielt. Das ist ein riesengroßes Stadion, knapp 77 000 Zuschauer. Da war ich schon angespannt. Die Mannschaft hat mich aber super aufgenommen. Im Spiel wurde die Anspannung von Minute zu Minute weniger. Dann hab ich den Moment einfach nur genossen.
Marie: Mit Spanien und Dänemark habt ihr keine einfache Gruppe erwischt. Wie siehst du eure Chancen?
Sophia Kleinherne: Sehr viele Nationen haben das Potenzial, den Titel zu gewinnen. Und das macht es so spannend. Mit uns ist auf jeden Fall zu rechnen! Das wissen wir, denn wir haben eine enorme Qualität im Kader. Und das wissen auch die anderen Nationen. Es wird wichtig sein, uns zu einer Turniermannschaft zu entwickeln und als Team zu bestehen. Wenn wir das auf den Platz bringen, bin ich überzeugt von unseren Qualitäten. Dann können wir eine interessante Rolle bei der EM spielen.
Martha: Auf unsere Unterstützung könnt ihr auf jeden Fall zählen!
Sophia Kleinherne: Danke. Das ist ganz lieb von euch.
Sophia Kleinherne Die 22-Jährige spielt beim Bundesliga-Club Eintracht Frankfurt in der Abwehr. Sie gehört zum Kader der 23 Spielerinnen der deutschen Nationalmannschaft bei der EM in England. Schon mit 14 Jahren gehörte sie zur U-17-Auswahl des FSV Gütersloh. Mit der U-17-Nationalmannschaft ist die damals 16-Jährige 2016 Europameisterin geworden. Seit ihrem ersten Spiel für die A-Mannschaft Deutschlands 2019 kommt sie auf 16 Länderspiele. Sophia Kleinherne ist in der Stadt Telgte (Nordrhein-Westfalen) aufgewachsen. Wenn sie mal nicht Fußball spielt, studiert sie Sportmanagement oder trifft sich in ihrer Freizeit mit ihren Freunden in der Stadt.