Wie schaffen Sie das in der Wilhelma?
Thomas Kölpin: Wir bekommen mehrmals in der Woche frischen Eukalyptus aus einer Gärtnerei in Leipzig und im Winter zusätzlich aus den USA, aus Florida. Zudem hat die Wilhelma ein eigenes Gewächshaus mit etwa 100 Eukalyptusbäumen, mit etwas selteneren Arten.
Und bei gutem Fressen klappt das dann mit dem Nachwuchs?
Thomas Kölpin: Ja, wenn man sie gut ernährt hat und die passenden Weibchen und Männchen zusammen sind, dann ist das eigentliche Züchten, also dass Junge geboren werden, gar nicht mehr so schwer.
Passt das immer mit den Männchen und Weibchen?
Thomas Kölpin: Nein. Es muss schon stimmen: Das Alter der Tiere sollte passen, die Weibchen sollten zwischen drei und fünf Jahre alt sein. Und ein wenig Harmonie gehört schon auch dazu. Vor allem bei den Weibchen, die können wählerisch sein und mögen manches Männchen nicht. Die Männchen hingegen machen keinen großen Unterschied, sie würden sich mit jedem Weibchen paaren.
Und das hat in der Wilhelma gut geklappt?
Thomas Kölpin: Ja. Wir haben vor anderthalb Jahren zwei Männchen und zwei Weibchen direkt aus Australien bekommen. Nicht aus dem Freiland, sondern von der australischen Dreamworld Wildlife Foundation, einer Stiftung, die sich dem Schutz und Erhalt bedrohter einheimischer Tierarten verschrieben hat. Die beiden Koala-Damen haben sich gut mit dem älteren Männchen verstanden, sodass sie nun beide ein Baby im Beutel tragen. Das freut uns sehr, denn es hätte auch sein können, dass es nicht klappt.
Was ist es denn geworden?
Thomas Kölpin: Das wissen wir noch nicht! Denn so richtig gesehen haben wir die Jungtiere noch nicht. Bei der Geburt sind sie so groß wie ein Gummibärchen, nackt und völlig hilflos. Sie müssen den Weg in den Beutel der Mutter finden und hier wachsen sie dann heran. Ab und zu werfen sie inzwischen auch einen Blick aus dem Beutel nach draußen, sodass man sie mit viel Glück auch einmal beobachten kann.
Bleiben die Jungtiere in der Wilhelma?
Thomas Kölpin: Je nachdem: Weibliche Koalas bleiben vermutlich hier, männliche werden im Rahmen des europäischen Zuchtprogramms an andere Zoos weitergegeben – zur Fortpflanzung. Damit die vom Aussterben bedrohten Tiere erhalten werden können.
Der Nachwuchs aus der Wilhelma ist wichtig dafür?
Thomas Kölpin: Ja! Denn die meisten europäischen Zoos haben Koalas, die ursprünglich aus einer Linie stammen, aus einem Zoo in San Diego (USA). Sie sind also eng miteinander verwandt. Unsere Tiere sind direkt aus Australien und bringen somit frisches Erbgut mit.
Warum ist das wichtig?
Thomas Kölpin: Wenn Tiere zu nah verwandt sind, ist ihr Erbgut zu ähnlich. Das tut das dem Nachwuchs nicht gut. Die Jungtiere sind oft nicht ganz gesund und sie können sich häufig auch nicht mehr richtig fortpflanzen. Dann kann es sein, dass die Zucht zusammenbricht.
Welche Rolle spielen die Wilhelma-Koalas?
Thomas Kölpin: Wir haben hier Koalas, die zu einer gefährdeten Unterart gehören, den Queensland-Koalas. Sie leben dort, wo sich auch Menschen gerne niederlassen, in den schönen Küstenregionen. Der Lebensraum dieser Koalas ist vor allem durch die großflächige Abholzung der Eukalyptuswälder bedroht. Auch der Straßenverkehr, also Autos, und Hunde sind ein großes Problem. Und der Klimawandel. Durch verheerende Buschbrände kommen die Tiere ums Leben. Wo früher zwei Millionen Koalas gelebt haben, sind es heute höchstens noch 40 000.
Die Zucht hilft vor dem Aussterben?
Thomas Kölpin: In den Zoos werden gefährdete Tiere gezüchtet, die man auch in die freie Wildbahn auswildern könnte. Man nennt das Reservepopulation. Hinzu kommt, dass die niedlichen, sympathischen Koalas auch Botschafter sind. Mit ihnen kann man darauf hinweisen, warum Tiere vom Aussterben bedroht sind – warum also Tierarten durch den Menschen und den Klimawandel bedroht sind
Was ist ein Zuchtprogramm?
Viele Tierarten, die vom Aussterben bedroht sind, können durch Zuchtprogramme in Zoos geschützt werden. Europäische Zoos gehören der Zoovereinigung EAZA an. Hier planen Experten die Zucht dieser Tiere, jede gefährdete Tierart hat ihr eigenes Programm. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, die in einem EAZA-Mitgliedszoo arbeiten und sich besonders gut mit einer Tierart auskennen, organisieren das Programm: Sie sammeln Daten über die Tiere in den verschiedenen Zoos und prüfen, welche Männchen und Weibchen gut miteinander Junge haben könnten. Man muss darauf achten, dass die Tiere verwandtschaftlich möglichst weit voneinander entfernt sind: Je enger verwandt, desto größer die Gefahr, dass der Nachwuchs nicht gesund ist. Zoos sind also nicht nur dazu da, damit man Tiere anschauen kann. Es sind wissenschaftliche Einrichtungen, die mit ihrer gut geplanten Zucht dafür sorgen, dass Tierarten erhalten bleiben.